Zur Optik der bewegten Körper I

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Zur Optik der bewegten Körper I
Jakob Laub
1907
Annalen der Physik 328 (9): 738–744, Source: Internet Archive
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I[edit]

Unter einem „physikalischen" Raum verstehen wir immer einen beleuchteten Raum. Um seine Zustände zu charakterisieren, wird neben den geometrischen Bestimmungsstücken (Koordinaten) x, y, z noch eine neue Mannigfaltigkeit, die Zeit t eingeführt. Die sehr zweckmäßige Einsteinsche[1] Definition der Zeitdauer und der Gleichzeitigkeit erlaubt erst die Ereignisse an verschiedenen Orten des Raumes zeitlich zu werten.

Bekanntlich muß man in der Einsteinschen Elektrodynamik der bewegten Körper zwei Systeme, und zwar ein „bewegtes" und ein „ruhendes" berücksichtigen. Die Anwendung des Prinzipes der Relativität und der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit führt dazu, daß dem Begriffe der Gleichzeitigkeit keine absolute Bedeutung zukommt. Zwei Uhren, welche in einem System als synchron gehend gefunden werden, werden, von einem zu dem gegebenen System relativ bewegten Systeme aus betrachtet, als nicht mehr synchron laufend bezeichnet. Man kann auch umgekehrt sagen: Denken wir uns in zwei sehr weit voneinander entfernten Stellen des Raumes Beobachter aufgestellt, welche das Einsteinsche Kriterium für den synchronen Gang zweier Uhren ausführen und dieselben synchron finden. Man kann in dem Falle von einem "ruhenden System" sprechen. Es kann aber vorkommen, daß dieselben Uhren, von einem anderen System aus betrachtet, als nicht synchron gefunden werden; dann werden die Beobachter von einer „sichtbaren Bewegung" sprechen. — Die beiden Systeme sind vollkommen identisch, es werden ihnen keine besonderen Eigenschaften zugeschrieben. Man kann die Systeme miteinander verwechseln; in jedem Systeme würden die Erscheinungen als vollkommen gleich verlaufend gefunden werden. Wir könnten ebensogut von einem System I und einem System II [739] sprechen. Modifikationen treten erst ein, wenn die beiden Systeme miteinander in Beziehung gesetzt werden. Der „absolut ruhende Raum" spielt bei Einstein keine Rolle, es wird auch den Punkten des leeren Raumes kein Geschwindigkeitsvektor zugeschrieben.

Die Auffassung der Vorgänge ist in der Lorentzschen Elektrodynamik eine wesentlich andere. Es wird ein durch die absolute Ruhe ausgezeichneter Äther eingeführt, der auch im Innern der bewegten Materie absolut ruht. Der Äther bewegt sich nicht mit der bewegten Materie, der Verlauf der optischen Vorgänge in einem translatorisch bewegten Körper ist ein wesentlich anderer als im ruhenden, denn nur der an der Materie haftende Bruchteil der elektrischen Polarisation wird durch die Bewegung modifiziert. Die Erscheinung haftet nicht nur am Beweglichen, sondern auch am Ruhenden.

Es schien mir daher wichtig, zu untersuchen, wie sich die Behandlung des bekannten Versuches von Fizeau vom Einsteinschen Standpunkt aus gestaltet. Es zeigt sich, daß man den „Fresnelschen Mitführungskoeffizient" in sehr einfacher Weise ohne Zuhilfenahme der Differentialgleichungen für bewegte Körper erhält.

Es mögen sich an den weit voneinander entfernten Stellen A und B des „ruhenden" Raumes Beobachter mit den nötigen Uhren und Maßstäben (alle von derselben Beschaffenheit) befinden. Die Beobachter haben die Aufgabe, das Einstein- sche Kriterium für den synchronen Gang zweier Uhren auszuführen. Es bedeute tA die Zeit, in welcher ein Lichtstrahl von A nach B abgeht, tB die Zeit, in welcher er in B in der Richtung gegen A reflektiert wird, t'A die Zeit, in welcher er in A wieder eintrifft. Dann sind synchron gehende Uhren dadurch ausgezeichnet,[2] daß:

(1) tB - tA = t'A - tB.

Bezeichnet man mit r den absoluten Wert der Entfernung zwischen A und B, ferner mit c die Lichtgeschwindigkeit im Normalmedium (leerer Raum), so ist erfahrungsgemäß:

(2) .

[740] Es sei außerdem ein zweites „bewegtes" System gegeben, welches sich in gleichförmiger Translation relativ zum ruhenden befindet, es möge ferner v der absolute Wert der Geschwindigkeit sein, mit welcher sich das bewegte System in Richtung der wachsenden x des ruhenden Systems bewegt. Dann werden bekanntlich die zwei Uhren, welche, vom ruhenden System aus betrachtet, synchron laufen, vom bewegten System aus betrachtet, nicht mehr synchron sein, und umgekehrt: zwei Uhren, welche im bewegten System synchron laufen, werden vom ruhenden aus nicht synchron sein. Die Gleichung (1) findet nicht statt, es ist vielmehr:

,
.

Bezeichnet man die Differenz tB — tA mit t1 und t'A — tB mit t2, so wird:

(3) .

Unsere Betrachtungen wurden bis jetzt in einem Normalmedium, dessen Brechungsindex gleich l ist, ausgeführt. Wir nehmen nun an, daß sowohl das bewegte wie das ruhende System mit einem Dielektrikum vom Brechungsindex n ausgefüllt ist, und postulieren: die Differenz (3) soll unabhängig sein vom Medium, welches sich zwischen den Uhren befindet, oder mit anderen Worten: der Gang zweier (gleich beschaffener) an verschiedenen Stellen des Raumes aufgestellten Uhren soll unabhängig sein vom Medium, welches sich zwischen ihnen ausbreitet. In Formeln heißt das, wir postulieren, daß

(4)

sein soll, wobei c' die Geschwindigkeit des Lichtes in einem Medium vom Brechungsindex n bedeutet, falls sich der Lichtstrahl in der Richtung der positiven X- Achse fortpflanzt, c hingegen die Lichtgeschwindigkeit in demselben Medium für die Fortpflanzung in der negativen Richtung. Um zu sehen, welche Werte c und c haben müssen, damit die Gleichung (4) erfüllt ist, setzen wir

c'= F(v)

[741] und indem wir annehmen, daß c dieselbe Funktion von -v ist, entwickeln wir die Funktionen nach dem Taylorschen Satze. Berücksichtigt man nur Glieder in erster Ordnung von v, d. h. Geschwindigkeiten, die klein sind im Vergleich mit der Lichtgeschwindigkeit, so erhält man:

(5)

wobei c0 = c/n die Geschwindigkeit des Lichtes in einem ruhenden Dielektrikum und im ruhenden Dielektrikum beobachtet bedeutet. Setzt man die Werte für c und c in (4) ein, so erhält man:

,

oder

(6) .

Vernachlässigt man in der letzten Gleichung v² und α (v —α)² gegenüber c², so erhält man:

n²2v(1-α)c² = 2vc²,

oder

(7) .

Wir erhalten also das Resultat: Pflanzt sich das Licht in einem ruhenden Dielektrikum mit der Geschwindigkeit c/n fort, so ist für einen mit der Geschwindigkeit v bewegten Beobachter der Ausdruck:

(8)

maßgebend, wobei das obere oder untere Zeichen, je nach der Bewegungsrichtung des Beobachters gilt. Es ist klar, daß das auch gilt, falls der Beobachter ruht und das Medium sich mit der Geschwindigkeit v bewegt. — Hiermit haben wir aber die Theorie des Fizeauschen Versuches erhalten; 1-1/n² ist der sogenannte „Fresnelsche Mitführungskoeffizient".

Wir müssen aber noch eine Korrektion einführen. Die Gleichung (8) sagt uns aus, wie sich einem mit der [742] Geschwindigkeit v bewegten Beobachter die Geschwindigkeit eines Lichtstrahles darstellen würde, welcher von einer ruhenden Lichtquelle kommend sich in einem ruhenden Medium fortpflanzt, oder was dasselbe ist: wie sich einem ruhenden Beobachter die Geschwindigkeit eines Lichtstrahles darstellt, der von einer mit der Geschwindigkeit v bewegten Lichtquelle kommend in einem mit derselben Geschwindigkeit v bewegten Medium sich fortpflanzt.

Um genau denselben Fall, wie im Fizeauschen Versuch zu haben, brauchen wir nur im Gliede c/n der Gleichung (8) in n statt der relativen Periode T' die absolute Periode T, welche einer ruhenden Lichtquelle entspricht, einzuführen. Zu dem Zwecke wenden wir das Dopplersche Prinzip in der Einsteinschen[3] Fassung an. Das Dopplersche Prinzip lautet in unserem Falle:

,

oder

(9) .

Bezeichnet man mit N den Brechungsindex des ruhenden Mediums für die absolute Periode T, so ist:

,

wobei λ=cT die Wellenlänge des Lichtes im Vakuum bedeutet. Daher wird nach (8)

(10) .

Führt man in den mit v behafteten Gliedern die Näherungswerte

[743] ein und vernachlässigt die Glieder v²/Ω² etc., so erhält man:

(11) .

Das ist die von H. A. Lorentz[4] abgeleitete Formel.

Wir haben den Mitfilhrungskoeffizient unter der Voraussetzung abgeleitet, daß die Translationsbewegung v klein ist gegenüber der Lichtgeschwindigkeit, was ja praktisch zutrifft. Möglich ist aber jede Translationsgeschwindigkeit, die nur etwas kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist; erst der Fall v = c spielt die Rolle einer unendlich großen Geschwindigkeit. Man kann in vielleicht noch einfacherer Weise den Mitführungs- koeffizient ohne Vernachlässigungen ableiten, indem man folgendes, dem obigen ganz analoge Verfahren einsetzt. Wir gehen wieder von unserem Postulate aus:

Würden wir einfach statt c' und c, c/n setzen, so wäre unser Postulat nicht erfüllt. Wir befriedigen die letzte Gleichung, indem wir annehmen, daß c' und c in bezug auf die Zusatzglieder symmetrisch sind , d. h. daß zu dem + v ein positives und zu dem negativen v ein negatives Zusatzglied hinzukommt und setzen:

,
,

und lösen die Gleichung nach x auf. Dann hat man:

oder

.

Vernachlässigt man v² und (v-x)² gegenüber c², so erhält man gleich:

.

[744] Die strenge Behandlung führt auf eine quadratische Gleichung für x, deren Wurzeln lauten:

.

Eine einfache Überlegung zeigt, daß nur eine Wurzel und zwar die mit dem - Vorzeichen möglich ist Entwickelt man nämlich in dem Falle die Wurzel, so erhält man bei entsprechenden Vernachlässigungen wieder

;

für das positive Vorzeichen hingegen erhält man:

;

nun soll aber für v = 0, auch x = 0 werden, also muß der Wert ausgeschlossen werden. Es wird daher:

.

Man kann hier wieder dieselbe Korrektion wie oben mit Hilfe des Dopplerschen Prinzips ausführen und erhält für die absolute Periode T:

Es sei mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Hrn. Geheimrat W. Wien, meinen herzlichsten Dank zu sagen für das große Interesse, daß er jederzeit meiner Arbeit entgegenbringt.

Würzburg, Physik. Institut, am 13. Juni 1907.

(Eingegangen 15. Juni 1907.)


  1. A. Einstein, Ann. d. Phys. 17. p. 891. 1905.
  2. A. Einstein, 1. c.
  3. A. Einstein, l. c.
  4. H. A. Lorentz, Versuch einer Theorie d. elektr. u. opt. Ersch. in bewegten Körpern, p. 101. Leiden 1895.